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Sonntag, 17. Juli 2011

In schlechter Gesellschaft


Jedes ernstzunehmende Feuilleton hat Adam Mansbachs Buch "Verdammte Scheisse, schlaf ein" spätestens vor einem Monat abgefeiert. Sogar die NZZ hat es Anfang Juli rezensiert. Und heute las ich in der NZZ am Sonntag einen unter anderem daran aufgehängten Text namens "Baby, halt die Klappe". Dass Autor Martin Helg mit seinem vermeintlichen Trendthema spät dran ist - geschenkt. Dass in der gestrigen Vorschau auf die heutige Ausgabe noch zu lesen war, kein Geräusch nerve mehr als Babygeschrei, im Artikel dann aber eine Studie erwähnt wird, laut der es das Geschrei nur auf Platz 3 gebracht hat, als nach belästigenden Geräuschen gefragt wurde - auch geschenkt. Man kann alles behaupten. In diesem Fall: Das Geschrei von Babys wurde von der Verständnis-Pädagogik lange tabuisiert. Jetzt ist zumindest das Klagen darüber wieder erlaubt. Man könnte das Intro auch so verstehen, dass nun das Klagen über die Tabuisierung wieder erlaubt ist. Aber davon einmal abgesehen, liefert Martin Helg keinen einzigen ernstzunehmenden Beleg für seine These. Er führt nur den grossen Erfolg des Buches "Achtung Baby" von Komiker Michael Mittermeier und eben jenen des erwähnten Mansbach-Werkes an.

OK, dachte ich mir, blättere ich den Bund mal weiter durch. Auf der nächsten Seite überrascht David Signer mit der geschmacklosen Symbolbildunterschrift: "Ein Weisser ist in Afrika eine wandelnde Bank, die es zu plündern gilt. Sagt er, er könne nicht zahlen, glaubt ihm niemand."

Auf der dritten Seite findet man dann den sogenannten Kanon der Populärkultur. Zu lesen ist unter anderem Planking und Balconing sei diesen Sommer Trend. Auch diese vermeintlichen Trends sind schon etwas älter. Letztgenannter war beispielsweise schon im August 2010 ein Thema in Publikumsmedien.

Christof Gertsch hat eine Geschichte über die Ehrendamen der Tour de France geschrieben: "Küssen erlaubt, Flirten verboten". Man hat eine solche aber auch schon oft gelesen. Eine gute, weil ehrliche Zusammenfassung findet man bei 20 Minuten Online.

Ich musste dann leider aus Zeitgründen die Lektüre abbrechen. Daher nur eine Frage: Wird die Existenz von Sonntagszeitungen nicht immer mit den eigenen (kreativen) Geschichten gerechtfertigt, für die man mitunter mehrere Tage braucht?